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<div class="gmail-article__item">
<h1 class="gmail-article-heading">
<span class="gmail-article-heading__kicker">Gergely Karácsony</span><span class="gmail-visually-hidden">: </span><span class="gmail-article-heading__title">"Die Orbán-Regierung ist eine zynische Machtmaschine"</span>
</h1>
</div>
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<div class="gmail-summary">
Gergely Karácsony will Ungarns nächster
Ministerpräsident werden. Im Interview erklärt der grüne
Oberbürgermeister von Budapest, warum er gegen Viktor Orbán antritt.
</div> <div class="gmail-byline">
Interview: <span>
<a href="https://www.zeit.de/autoren/D/Muri_Darida/index" rel="author">
<span>Muri Darida</span></a></span></div></div><a href="https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-07/gergely-karacsony-ungarn-viktor-orban-praesidenschaft-budapest-buergermeister?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F">https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-07/gergely-karacsony-ungarn-viktor-orban-praesidenschaft-budapest-buergermeister?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F</a><div>
<div class="gmail-article__media-container">
<img class="gmail-article__media-item" alt="Gergely Karácsony: Gergely Karácsony, Oberbürgermeister von Budapest, will Viktor Orbán 2022 als Ministerpräsidenten ablösen. Hier spricht er bei Protesten gegen die von China finanzierte Fudan-Universität in Budapest." src="https://img.zeit.de/politik/ausland/2021-07/gergely-karacsony-ungarn-viktor-orban-praesidenschaft-budapest-buergermeister-2/wide__820x461__desktop" style="margin-right: 0px;" width="194" height="109">
</div>
<span class="gmail-figure__text">Gergely
Karácsony, Oberbürgermeister von Budapest, will Viktor Orbán 2022 als
Ministerpräsidenten ablösen. Hier spricht er bei Protesten gegen die von
China finanzierte Fudan-Universität in Budapest.</span>
<span class="gmail-figure__copyright"><span>© Bernadett Szabo/Reuters</span></span>
</div>
<em>In den vergangenen elf Jahren hat <a class="gmail-" href="https://www.zeit.de/thema/ungarn" target="_blank">Ungarns</a>
Ministerpräsident Viktor Orbán das Land immer mehr zu einem autoritären
Staat umgebaut. Zu den nächsten Parlamentswahlen im Frühjahr 2022 tritt
ein Oppositionsbündnis aus sechs Parteien gegen den rechtsnationalen
Orbán und seine Fidesz-Partei an. Der grüne Oberbürgermeister von
Budapest und</em><em> bekannte Regierungskritiker Gergely Karácsony (46)
will dessen Spitzenkandidat werden. Darüber entscheiden allerdings erst
die Vorwahlen am 18. September. Karácsonys Chancen innerhalb des
Bündnisses gelten als aussichtsreich, die Regierung schaltet bereits
landesweit YouTube-Kampagnen gegen den Oppositionspolitiker. </em>
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</div>
<p class="gmail-paragraph gmail-article__item"><em>Nach mehreren Anfragen
findet Karácsony einen Termin für ein Interview. Die Gänge des
Budapester Rathauses sind leer, die meisten Mitarbeiter im Sommerurlaub,
auch der Oberbürgermeister hat eigentlich frei. Draußen zeigt das
Thermometer 34 Grad an. Karácsony, fast zwei Meter groß, trägt Shorts
und T-Shirt. Er sucht selten Blickkontakt und hält das Gespräch so kurz
wie möglich.</em>
</p>
<h2 class="gmail-topicbox__heading">
<span class="gmail-topicbox__supertitle">Das Beste aus Z+</span><span class="gmail-visually-hidden">:</span>
<span class="gmail-topicbox__title">Europäische Union</span>
</h2>
<a href="https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-07/polen-eu-recht-justizreform-rechtsprechung-nationales-recht-rechtsstaatlichkeit-polexit">
<div class="gmail-topicbox-item__media-container">
</div></a>
<p class="gmail-paragraph gmail-article__item"><br><strong>ZEIT ONLINE: </strong>Herr Karácsony, Sie wollen gegen <span class="gmail-rtr-schema-org"><a class="gmail-rtr-entity" href="https://www.zeit.de/thema/viktor-orban">Viktor Orbán</a></span>
antreten. Ihnen dürfte ein schmutziger Wahlkampf bevorstehen, schon
jetzt fährt die Orbán-Regierung Kampagnen gegen Sie. Warum tun Sie sich
das an?
</p> <p class="gmail-paragraph gmail-article__item"><strong>Gergely Karácsony: </strong>Bevor
Orbán 2010 Regierungschef wurde, hatten wir in Ungarn ein scheinbar
stabiles demokratisches System. Mein politisches Ziel war es eigentlich,
dazu beizutragen, dass in der ungarischen Politik auch grüne Parteien
vertreten sind. Ich habe damals nicht damit gerechnet, dass der Fidesz
beim Abbau der Demokratie dermaßen weit gehen würde. Jetzt verstehe ich
es als meine moralische Pflicht, gegen dieses System zu kämpfen. Als
Bürgermeister erlebe ich, wie meine Arbeit nahezu unmöglich gemacht
wird. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war der Fall
eines Krankenhauses für Obdachlose in <span class="gmail-rtr-schema-org"><a class="gmail-rtr-entity" href="https://www.zeit.de/thema/budapest">Budapest</a></span>.
Es liegt in einem vom Staat gemieteten Gebäude. Die Regierung wollte
mitten in der Pandemie den Mietvertrag kündigen und alle Patienten auf
die Straße setzen. Da habe ich beschlossen, alles zu tun, um diese
Regierung zu Fall zu bringen.
</p>
<div class="gmail-portraitbox__container">
<div class="gmail-portraitbox__text">
<h3 class="gmail-portraitbox__heading"><font size="2"><i>Gergely Karácsony - 46, ist seit 2019
Oberbürgermeister von Budapest und Co-Vorsitzender der grünen Partei
Párbeszéd (dt. "Dialog"). Bei der Parlamentswahl 2022 will er für das
Oppositionsbündnis gegen Viktor Orbán als Spitzenkandidat antreten.
Umfragen zufolge gilt er als beliebtester Oppositionspolitiker Ungarns.</i></font></h3>
</div>
</div>
<p class="gmail-paragraph gmail-article__item"><strong>ZEIT ONLINE:</strong> In Budapest sind Sie als Lokalpolitiker beliebt. Auf dem Land gilt die Bevölkerung aber als konservativer und Fidesz-treu.
</p> <p class="gmail-paragraph gmail-article__item"><strong>Karácsony: </strong>Ich
finde es falsch, wenn Politiker versuchen, die Gesellschaft zwischen
Stadt und Land zu spalten. Natürlich unterscheidet sich das Leben der
Menschen in Budapest von dem in den ländlichen Gebieten. Aber es ist
auch ein sehr kleines Land. Wenn sich in der Hauptstadt nichts ändert,
werden sich auch die anderen Gebiete nicht entwickeln.
</p> <div class="gmail-ad-container gmail-ad-cls-mode">
</div>
<p class="gmail-paragraph gmail-article__item"><strong>ZEIT ONLINE:</strong> Inwiefern?
</p> <p class="gmail-paragraph gmail-article__item"><strong>Karácsony:</strong>
Eine der Ursachen für die große Armut auf dem Land ist die Korruption
des Orbán-Regimes. Viele Fidesz-Politiker besitzen riesige Ländereien,
die sie verpachten. Ich komme selbst vom Land und habe nicht mein ganzes
Leben in Budapest verbracht. Während des Bürgermeisterwahlkampfs hat
mich der Fidesz angegriffen, weil ich nicht aus Budapest komme und
Budapest deshalb nicht verstehen könnte. Jetzt greifen sie mich an, weil
ich in Budapest lebe und angeblich die ländlichen Gebiete nicht
verstünde.
</p> <p class="gmail-paragraph gmail-article__item"><strong>ZEIT ONLINE:</strong> Wo werden Ihre Prioritäten liegen, sollten Sie die Wahl gewinnen?
</p> <p class="gmail-paragraph gmail-article__item"><strong>Karácsony:</strong><span class="gmail-rtr-schema-org"><a class="gmail-rtr-entity" href="https://www.zeit.de/thema/ungarn">Ungarn</a></span>
soll ein Rechtsstaat nach europäischen Standards bleiben. Deshalb muss
der Ab- und Umbau der Demokratie rückgängig gemacht werden und Ungarn
wieder näher an den Rest der EU rücken. Außerdem ist die
Einkommensschere zwischen Arm und Reich sehr hoch. Wir brauchen einen
grundlegenden politischen Wandel, um die Einkommensunterschiede zu
verringern. Der dritte Punkt ist, dass das Land emotional stark
gespalten ist. Es gibt unheimlich viel Hass, die Regierung polarisiert
ständig von Neuem und stachelt die Menschen gegeneinander auf. Ich
möchte das Land friedlicher machen.
</p> <div class="gmail-ad-container gmail-ad-cls-mode">
</div>
<p class="gmail-paragraph gmail-article__item"><strong>ZEIT ONLINE:</strong> Wie wollen Sie das anstellen?
</p> <p class="gmail-paragraph gmail-article__item"><strong>Karácsony: </strong>Die
politische Strategie der Orbán-Regierung besteht darin, stets auf
wechselnde soziale Gruppen abzuzielen und künstliche Debatten zu
erzeugen. Dahinter steht das Kalkül, wichtige und für die Regierung
unangenehme Debatten aus der öffentlichen Wahrnehmung zu verdrängen. <a class="gmail-" href="https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-06/ungarn-gesetz-gegen-paedophilie-viktor-orban-selbstbestimmung-sexualitaet" target="_blank">Die aktuelle Kampagne gegen LGBTQ-Personen</a>
ist so eine Aktion. Man muss bedenken, dass die ungarische Gesellschaft
Umfragen zufolge sexuelle Minderheiten mehr und mehr akzeptiert. Aber
die Orbán-Regierung ist eine zynische Machtmaschine. Sie produziert ein
Feindbild, das es so vorher gar nicht gab. Zuvor hat sie dasselbe mit
Obdachlosen gemacht, davor wiederum mit George Soros...
</p> <p class="gmail-paragraph gmail-article__item"><strong>ZEIT ONLINE:</strong>
… dem vor langer Zeit in die USA ausgewanderten, ungarischstämmigen
Investor, der immer wieder Opfer antisemitischer Hetze ist...
</p> <p class="gmail-paragraph gmail-article__item"><strong>Karácsony: </strong>… davor mit Einwanderern <a class="gmail-" href="https://www.zeit.de/2021/27/europaeische-union-ungarn-viktor-orban-streit" target="_blank">oder mit der Europäischen Union</a>.
Währenddessen befinden wir uns mitten in einer globalen Krise, mehr als
30.000 Menschen sind in der Corona-Pandemie in Ungarn gestorben. Dazu
kommen <a class="gmail-" href="https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-05/ungarn-viktor-orban-corona-fidesz-eu" target="_blank">der wachsende Einfluss Chinas,</a>
der Pegasus-Abhörskandal, der Konflikt mit der Europäischen Union, die
Korruptionsfälle. Von alldem versucht Orbán abzulenken, indem er
Stimmung gegen gesellschaftliche Minderheiten macht und Pseudo-Debatten
anzettelt. Es ist jetzt unsere Aufgabe, die angegriffenen Gruppen nicht
nur zu verteidigen, sondern auch, die politischen Debatten wieder auf
die wirklich relevanten Themen zurückzuführen.
</p> <div class="gmail-ad-container gmail-ad-cls-mode">
</div>
<p class="gmail-paragraph gmail-article__item"><strong>ZEIT ONLINE: </strong>Welche wären das?
</p> <div style="clear:both">
</div><p class="gmail-paragraph gmail-article__item"><strong>Karácsony: </strong>Die
aktuelle Anti-LGBTQ-Kampagne der Regierung etwa wurde damit begründet,
dass man Kinder vor "sexueller Propaganda" schützen müsse. Das ist ein
politischer Bluff. Ein großer Teil der Kinder in Ungarn lebt in Armut,
viele werden vom Bildungssystem benachteiligt oder sind Opfer von
häuslicher Gewalt. Es gäbe also genug zu tun, anstatt sie auf das
politische Schlachtfeld zu zerren. Ich habe schon vor der Kampagne der
Regierung immer wieder auf den Kampf gegen Kinderarmut aufmerksam
gemacht. Das ist wichtiger als von der Regierung aufgezwungene
Identitätsdebatten.
</p>
</div>